Donnerstag, 10. Mai 2007
estella
heute werde ich mich kuerzer fassen, da ich etwas schreibfaul bin und mal einen tag pause von den hochtrabenden themen brauche.

gestern habe ich noch in dem schoenen garten der albergue gepicknickt. ein niederlaendischr sozialpaedagoge leistet mir gesellschaft. das anfangs interessante gespraech driftet immer mehr in richtung esoterik und fliessende energiestroeme ab...ich soll unbedingt nachschauen, welche bedeutung bei den schamanen das wildschwein hat, das mir neulich ueber den weg lief. das sei eine wichtige botschaft fuer mein weiteres leben...als er mir sagt, dass er heute bitterlich geweint habe, weil er das ende seiner 25-jaehrigen beziehung endlich verarbeitet habe, werde ich misstrauisch. er erzaehlt mir dann von seinem mann (!). zeit fuer mich zu gehen! offenbar war ich genau sein beuteschema und soll ihn ueber diese schwere zeit hinwegtroesten. aber nicht mit mir! obwohl er in einem anderen schlafsaal schlaeft, stecke ich mir drei weinkorken in den arsch und sichere meine unterhose zusaetzlich mit leukoplast...

ich starte heute sehr bald um 6:45 uhr, um der hitze auszuweichen. nach bereits 500m heftet sich vicenta, 47 jahre aus barcelona an meine fersen. da ich bislang kaum spanisch sprechen musste, bin ich froh ueber diese moeglichkeit der konversation. ich stottere ich mich durch die ersten saetze. nach einiger zeit verstehe ich zumindest den groben sinn und kann mich mit etwas nachschlagen sogar einigermassen fluessig unterhalten. bei einem heftigen anstieg verabschiede ich mich dann von ihr. ich nehme mir vor, mir kuenftig mehr spanische sparringspartner zu schnappen. nur durch staendiges ueben werde ich weiter sprachgefuehl aufbauen. ich wandere im folgenden alleine und lerne dabei spanisch. mittels langescheidt woerterbuch bastle ich mir nuetzliche saetze.

ich treffe dann auf eine 54 jaehrige koreanerin, die mir ihre lebensgeschichte erzaehlt. sie klettert leidenschaftlich gerne und wird dabei gerne von juengeren maennern bewundert. sie praktiziert zen-meditation und ist katholikin. sie lobt meine englische aussprache. sie kann das gut beurteilen, schliesslich war sie frueher an einer koreanischen highschool english-teacher. ich spreche besser und fluessiger als sie.

die landschaft ist nach wie vor sensationell. die salbungsvollen huldigungen der letzten tage gelten heute gleichermassen. heute sehe ich das erste mal olivenhaine...ach koennte doch jeden tag spanien sein...

nach 26 km auf und ab erreiche ich um 12:30 uhr mein heutiges ziel "estella". die albergue ist ein wenig siffig, der hospitalero aber nett. ich treffe auf einige bekannte gesichter. mit schmerzverzerrtem gesicht kam gerade rudi zur tuer herein...ueber den pilgerfunk erfahre ich, dass der niederlaender nach mir gefragt hat...hilfe!

... link (4 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 9. Mai 2007
puente de la reina
"...it is better to burn out, than to fade away"
(neil young - hey hey my my - 1979)


ausgeschissen und ausgeschlafen (uff, das tut sooooooo gut!) mache ich mich heute erst gegen halb neun auf den weg. laut meinem bettnachbarn ist mein geschnarche gar nicht so schlimm. na also...das machte mir bisher wirklich zu schaffen...

in der albergue wird ein einfaches fruehstueck gereicht, das ich gerne annehme. ich setze mich zu vier anderen dazu und bin mittendrin in einem sehr interessanten gespraech zu glauben, spiritualitaet und motivation. in ihren urlauben bereisen sie den jakobsweg in dieser vierer-konstellation. einer von ihnen bringt sich waehrend des laufens durch ein ave-maria-mantra in eine art trance-zustand. er betet whrd. des gesamten laufens. er sieht seine aufgabe als pilger u. a. auch darin, andere in schwierigen situationen zu helfen. so hat er auf seinem letzten weg eine frau, die am cruz de ferro miutenlang zitternd ihren mitgebrachten stein in der hand hielt, aber nicht werfen konnte, so lange umarmt, bis sie ihn dann schliesslich doch noch warf.

spaeter setzen sich noch die beiden hospitaleras zu uns. sie wollen uns zu unseren motiven ausfragen, da sich fuer heute nachmittag der bayerische rundfunk zu einer reportage angemeldet hat. ich komme mir neben den anderen "heiligen" kurzzeitig wie ein pauschaltourist neben erfahrenen weltreisenden vor.

ich merke, wie bisher in mir voellig unbeleuchtete winkel licht bekommen ...es ist faszinierend die vielen verschiedenen blickweisen auf "glauben" kennenzulernen. gerade dann, wenn man selbst ein suchender mit einer spirituellen leere ist. ich spuere, wie etwas in bewegung kommt...

da der hauptpulk vor mehr als eineinhalb stunden aufgebrochen ist, habe bei meinem aufbruch das dumme gefuehl, verschlafen zu haben. ich habe angst, in puente de la reina kein bett mehr zu bekommen. dort soll laut fuehrer hohes pilgeraufkommen sein, weil sich dort der camino francres und der arragonische weg vereinen. und diese angst sitzt tief. hier muss ich noch weiter vertrauen aufbauen und darf nicht gleich verkrampfen...in rekordzeit also verlasse ich die urbanizacion von pamplona. scharenweise ueberhole ich pilger. aber mir ist heute trotzdem nach auspowern zu mut.

der weg ist heute noch schoener als gestern. durch ueppige kornfelder, mohnblumenwiesen, bluehenden raps und ginster geht es schliesslich auf den 735 m hohen alto del perdon. von dort aus eroeffnet sich ein unvergesslicher 360-grad-panoramablick auf die weite der angrenzenden huegellandschaften.

mir ist bewusst, dass der camino nicht stetig schoener und besser werden kann. es werden sicherlich auch tage folgen, die mich total ankotzen werden. heutige lektion: das leben verlaeuft im idealfall bipolar. es muss positive als auch negative peaks geben. im unguenstigsten fall blubbert das leben ohne grosse emotionale regungen und ereignisse nur so vor sich hin...ich bin wirklich sehr froh, dass ich mir diese auszeit gegoennt habe. ich sauge eindrucke auf wie ein nasser schwamm. sie sind so vielfaeltig, dass ich hier gar nicht alles wiedergeben kann.

heute ist es sehr heiss. ich trinke whrd. des laufens mehr als 3 l und "verbrauche" vier muesliregel, zwei aepfel, zwei bananen und eine orange. ich verbrenne mir ordentlich gesicht, nacken und oberarme. nach etwas mehr als 5,5 stunden und 27 km erreiche ich dann endlich puente de la reina. dort begruesst mich auch gleich freudestrahlend mein rentnerfreund rudi...

nach dem duschen und dem waesche waschen passe ich mich den oertlichen gegebenheiten an und mache erstmal tagebuchschreibender-weise indoor-siesta. es ist einfach noch zu heiss. wenn die hitze etwas nachlaesst, werde ich zum bruecke fotografieren in die stadt gehen. da ich im bisherigen tagesschnitt deutlich unter 20 € (tagesgesamtkosten inkl. uebernachtung!) liege, werde ich mir heute mal ein zuenftiges abendessen leisten...ich freue mich schon auf eine eiskalte jarra de "san miguel"...

"...i hurt myself today - to see if i can feel..."
(nine inch nails - hurt, 1992)

... link (3 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 8. Mai 2007
pamplona
was fuer ein toller tag!

waren gestern noch bei einigen vino tintos in unserer europaeischen wohngemeinschaft englischsprechend beieinander gesessen. einziges manko: ein daraufhin fuerchterlich schnarchender finne hat mich nur 5 stunden schlafen lassen. hab mich heute morgen mit den worten "it was a great experience to hear you snore" verabschiedet. seinem laecheln nach zufolge machte ihn das sehr stolz. mein gesaege soll dagegen ganz harmlos sein.

rentner-r. hat infolge der naechtlichen schnarchattacken heute morgen verschlafen. mit einem scheinheiligen "ich lauf schon mal los - du holst mich ja eh wieder ein" nabele ich mich von ihm ab.

nach knapp 20 minuten habe ich mich in eine einsame position gewandert. es scheint, als gehoere der camino heute nur mir. und er gibt sich reichlich muehe, mich mit seinen zum niederknieen schoenen landschaften zu verzaubern. in der luft liegt ein hauch von baerlauch. ich geniesse mit allen sinnen. vorlaeufiger hoehepunkt: ein wildschweinfrischling huepft zu mir auf den weg, schaut mich keck an und verduftet ins unterholz.

die sonne scheint immer staerker und ich fuehle mich mit der natur absolut im einklang. ich singe uebermuetig mit diktatorenstimme "dieser weg wird kein leichter sinne". gut, dass das niemand hoert...

doch auch fuer wertvolle selbstanalysen und reflexionen findet sich zeit. das einsame, langsamere wandern ist sehr meditativ. es liegt mir wesentlich mehr, als die rennerei der letzten tage. quintessenz meiner ueberlegungen: nur wer offen ist, kann auch etwas aufnehmen. oftmals sieht man aus einer gewechselten perspektive klarer. das muss niemand verstehen...

ich naehere mich pamplona und die umgebungsgerauesche nehmen zu. nach meinen hippieesken gemeinschafts- und naturerfahrungen der letzten drei tage ist pamplonas urbaner laerm zunaechst etwas gewoehnungsbeduerftig. ich checke trotzdem gegen 12:30 uhr im "casa paderborn" ein. diese albergue wird von der bruderschaft betreut, der ich beitreten "musste", um mein credencial schon vorab zu bekommen. es ist wieder ein 8-bett-zimmer, aber ansonsten ist alles da, was das pilgerherz begehrt. es gibt sogar einen schoenen garten mit mit freisitz. nach dem frischmachen starte ich mein sightseeing-tour...

doch gleich nach dem stadtportal zwingen mich die klaenge einer flamenco-gitarre zum bleiben. einige studenten sitzen auf der wiese und musizieren. das hoert sich richtig passabel an. ich lege mich auf die stadtmauer, geniesse den panorama-blick auf die angrenzende huegellandschaft und chille zur musik. der warme stein der stadtmauer tut meinem geschundenen ruecken richtig gut und wirkt wie eine fangopackung. es ist einer dieser magischen momente, in denen alles passt...ich moechte fuer immer hier sitzen bleiben. lektion: versuche nicht, das schoene festzuhalten, sondern geniesse das augenblicklich schoene aufmerksam und in vollen zuegen...prompt schlafe ich ein. beim aufwachen merke ich auch schon das ziehen des sonnenbrandes in meinem gesicht.



pamplona, die stadt der hirnverbrannten stierlaeufe(immer mitte juli!), erweist sich als wunderschoen. historisches zentrum mit ehrwuerdigen gebaeuden, viele schoene kirchen, monumentales, wasserspiele, temperantvolle lebendige plaetze, studenten, gruenanlagen,...absoluter hoehepunkt ist die tolle gothische kathedrale aus dem 14./ 15. jahrhundert...

es gibt allerdings nur sehr wenige attraktive frauen. viele baskinnen schauen mit ihren buschigen augenbrauen aus wie maenner. die dummen vokuhilafrisuren mit den abgefressenen ponnies, die hier wohl momentan in sind, lassen sie wie kampflesben aussehen...dann muss ich morgen wohl doch weiterziehen ;o)

meine stimmung steigt mit jedem tag. ich habe mich offenbar eingepilgert. jetzt muss ich nur noch meinen heimscheisser-komplex und meine schlafanpassungsstoerungen ablegen...

... link (2 Kommentare)   ... comment


Montag, 7. Mai 2007
zubiri


hab heute nacht gerade mal drei stunden geschlafen. hab wohl anpassungsstoerungen mit neuen schlaf-situationen (stockbett oben, schnarchkonzerte, pilgerpupse,...). das wird sich im laufe des weges wohl noch geben. punkt 6:00 uhr ging das licht an, damit das refugio um 8:00 uhr geraeumt ist.

das wetter ist entgegen der gestrigen vorhersage bescheiden. irgendwo zwischen nieseln und richtigem regen. nachdem wir rucksackkondom und regenjacke uebergestreift haben, starten wir kaffeelos (die beiden restaurantes oeffnen erst um 8:00 uhr) um 7:15 uhr. wider erwartens haelt sich der muskelkater in grenzen. der fuehrer beschreibt den heutigen weg als traumhaftes landschaftliches erlebnis. im ersten abschnitt unterscheidet er sich in punkto flora, fauna und den geruechen nur unwesentlich vom leo-jobst-gedaechtnisweg bei ebermannstadt.

r. und ich nutzen dieses erstes wegstueck fuer einen gedankenaustausch zu religion, spiritualitaet, aberglaube, gott und die welt. an und fuer sich ist er schon ganz okay. er leidet nur etwas an permanenten idiomatischen diarrhoe. oder anders: er plappert in einer tour...dabei interessiert es ihn nicht weiter, ob ihn ueberhaupt jemaden zuhoert. das ist auf dauer sehr anstrengend. hab ihm heute angedroht, dass sich unsere wege spaetestens in pamplona (vorauss. morgen abend) trennen werden. er traegt es mit fassung...

der weg wird zunehmend pappeliger. auf einem teilstueck hetscheln wir eine gute halbe stunde auf rotem lehm munter herum.

gegen mittag reisst es dann endlich auf und die sonne kommt raus. prompt eroeffnet sich ein blick auf wirklich zauberhafte gebirgslandschaften. na also, so macht das gleich viel mehr spass...

mache dann die bekanntschaft mit einem netten maedel aus quebec in franzoesisch-kanada. sie geht den camino als abschliessendes sahnetuepferl nach einem einjaehrigem spanisch-studium in madrid. sie ist eigentlich radiomoderatorin und moechte sich trotz dieses scheinbar spannenden jobs beruflich umorientieren. offenbar erscheint das, was man gerade nicht hat, immer reizvoller. mit ihr entwickelt sich ein sehr anregendes gespraech auf englisch, bei dem rudi mangels sprachkenntnisse leider draussen bleiben muss. es tut wirklich gut, mal wieder mit jemand anderem zu reden...

aprops r. - er entwickelt sich immer mehr zum rennschwein. da komme selbst ich kaum noch hinterher. eigentlich wollte ich mich ja entschleunigen. in r.`s windschatten bin ich allerdings immer unter den ersten des tages an. ich muss mir diesen hoeher-schneller-weiter-trieb unbedingt noch abgewoehnen.

quasi als lektion verordne ich mir nach nur knapp 20 km marsch im mittelschweren gelaende bereits in zubiri meinen heutigen schlafplatz in der herberge, die mein fuehrer als geheimtipp handelt. da wir heute wieder eine tagestour in einem halben tag geschafft haben, habe ich tatsaechlich kurzzeitig darueber nachgedacht, eine weitere route dranzuhaengen. jetzt bin ich aber froh, mich anders entschieden zu haben. nach erfuellung meiner pilgerpflichten (duschen, waesche waschen, rucksack umpacken,...) habe ich jetzt den nachmittag zu meiner freien verfuegung.

hab jetzt gerade noch den jungen deutschen aus der kirche von gestern getroffen. er entscheidet wirklcih auf dem weg, ob er priester werden soll...

seltsame erkenntnis am rande. ich habe einen fetisch auf schwarze nacktschnecken... sie haben eine so wunderbar formvollendete feuchte oberflaeche. am liebsten wuerde ich sie mir schnappen und drueber lecken...sie sehen wie gummibaerchen aus...hmm...lecker!

... link (3 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 6. Mai 2007
kloster roncesvalles


was fuer ein brett! 1200 hoehenmeter bei 26 km aufstieg. mein rentnerfreund r. (wir sind mittlerweile per du) zeigt sich unerwartet zaeh und laesst sich trotz einer nicht voellig ausgeheilten baenderverletzung nicht abschuetteln. ich habe heute jedenfalls gelernt, dass ich die warnungen meines wanderfuehrers ernst nehmen muss. kam heute doch tatsaechlich kurzzeitig in den unterzucker. drei meiner vier powerbars sind schon weg.

habe bis auf laermende franzosen, die um 23:00 uhr lustige chansons anstimmten, recht gut schlafen koennen. ich schnarche wohl wirklich "muy fuerte", wie mir rentner-r. bestaetigte. die beiden italiener, die noch im zimmer waren, meinten aber "dont worry about it".

wettermaessig wars heute eher suboptimal. "tres decouvertes" (sehr bedeckt) wie unsere haus-schamanin heute frueh uns beim loslaufen mit auf den weg gab. immerhin hatten wir am anfang etwas sonne und konnten so wenigstens etwas die tolle aussicht geniessen. spaeter war es dann saukalt. ich lief mit unterhemd, dickem wanderhemd, fleece und windjacke und haette noch handschuhe brauchen koennen. die sicht durch den wolkennebel betrug teilweise nur 20-30 m. schade - laut wanderfuehrer ist mir so die landschaftlich schoenste etappe entgangen. tja, die sonne scheint immer, man sieht sie nur manchmal wegen der vielen regenwolken nicht.

der camino ist nicht so stark frequentiert, wie ich es gestern befuerchtet habe. man trifft immer wieder auf die gleichen pilger aus aller welt. hauptsaechlich sind spanier, franzosen, italiener und natuerlich reichlich deutsche unterwegs. komme mir schon als richtiges sprachgenie vor. kam mit meinem reste-schulfranzoesisch gut durch und konnte mich richtig verstaendigen. ma gucken, wie das jetzt mit dem meinem spanisch klappten wird.

highlight des tages waren drei franzosen, die allesamt den gleichen regenponcho und dazu kurze hosen trugen. sie sahen aus wie pilgernde mainzelmaennchen-exhibtionisten. der hammer dann, als sie mir dann beim zuegigen vorbeigehen absolut synchron und im originalen gunnaaaabend-ton einen "booonjouuur" wuenschten. musste mich im weiteren verlauf immer wieder lachkrampfbedingt wegschmeissen...

die unterkunft ist wider erwartens ganz nett. ein hauch von pilgerschullandheim. in einem alten gothischen sakralbau wurden ca. 80 stockbetten hineingestellt. es gibt grade mal zwei duschen fuer knapp 40 maenner. und meine war zudem noch fucking cold. aber: der pilger dankt - nur der tourist verlangt...meine bettnachbaren haben mir auch schon versichert, dass sie auch schnarchen...es darf gesaegt werden.

die vier hospitaleros sind allesamt hollaender. sie machen das ehrenamtlich einmal pro jahr fuer zwei wochen , weil sie selbst begeisterte pilger sind. ich bin von ihrer lockeren und hilfsbereiten art sehr angetan. die zweite lektion in demut: du darfst nicht immer nur nehmen, sondern musst auch mal geben...

im aufenthaltsraum gibt es eine komplett gefuellte regalwand mit unnoetigen dingen, die pilger hier hinterlassen koennen, um so fuer andere pilger zur verfuegung zu stehen. vom schluepfer bis zur 2x2m-mega-isomatte findet sich hier alles. eine nette art, um sachen mit anderen zu teilen...komischerweise werden hier nur dinge hinterlassen . ich hab niemanden gesehen, der sich etwas mitgenommen haette. offenbar sind alle pilger zu stark bepackt und haben angst vor dem kreiskrankenhaus pamplona. naechste lektion: man braucht nicht wirklcih viele dinge zum leben...

als ich vorhin auf einer bank in der sonne sass und und den dreckigen dreadlock-langhaarschafen (einmal spitzen schneiden bitte!) vor einem sonnendurchfluteten allgaeu-bergpanorama beim faulenzen zusah, wurde ich von einer tiefen zufriedenheit erfasst. ich bin sehr dankbar, dass ich das hier machen darf...trotz der einfachen unterkuenfte und bedingungen ist das hier der pure luxus...

war heute sogar in der pilgermesse. neben mir ein sehr frommer deutscher anfang 20. sein demostratives hingekniee machte mir angst. wollte ihn danach nach den gruenden fuer seine augenscheinlich ehrliche hingebung fragen, hab ihn aber leider nicht mehr erwischt. wurde von vier pastoren (oder wie das bei der anderen fraktion auch immer heisst) mit julio-iglesias-stimme pilgergesegnet . kann ja auch bei einem protestanten nicht schaden ;o)

habe gerade in einer typisch lauten und ueberfuellten spanischen bar eine leckere vegetarische paella gegessen. hinterher sass ich noch bei reichlich englisch-deutsch-spanisch-durcheinander mit einem italiener und zwei deutschen bei einem bier zusammen. es tut wirklich gut, dass man hier so ohne weiteres mit leuten ins gespraech kommt. es waere schoen, wenn ich mir diese ungezwungenheit mitbringen koennte...

bin jetzt mal auf das schnarchkonzert und die geraeuschkulisse von 80 pilgern gespannt...

... link (3 Kommentare)   ... comment


Freitag, 4. Mai 2007
i`m leavin on a jet plane...
"all my bags are packed, I`m ready to go..."
(john denver - leavin on a jet plane, 1973)




es ist vollbracht...nach knapp zwei tagen packen, auspacken, umpacken, wegpacken, dazupacken, drüberpacken, drunterpacken, abwiegen, wegstreichen, umfüllen, kurzzeitig verzweifeln, schnell noch was dazu besorgen, umkonzeptionieren, doch so lassen,...steht mein rucksack nun final bepackt vor mir. er lächelt mich mit seinen 14 kg (+2 kg handgepäck!) scheinbar herausfordernd an. "pack dir lieber noch eine salbe gegen bandscheibenvorfall ein" will er mir wohl sagen...

das empfohlene höchstgewicht von 8-10 kg geht gar nicht. ich habe mich jetzt wirklich auf das nötigste beschränkt...bin halt doch ein wohlstandspilger, der nicht auf handy, iPOD und kamera inklusive aller netzadapter und batterien verzichten kann. geht man von 10% des körpergewichtes als absolute packobergrenze aus, muß ich vor dem abflug morgen noch einige üppige henkersmahlzeiten in mich hineineinfuttern ;o)

meine stimmung schwenkte im laufe der woche vom stark introvertierten grübler hin zum reinen pragmatischen reisemanager. so langsam kommt tatsächlich doch noch so etwas wie entspannung und vorfreude auf. das damokles-schwert unschöner abschiedsszenen schwebt aber natürlich weiter über mir/uns...

nach einer sicherlich schlafarmen nacht heisst es morgen früh um 5:00 uhr "das abentuer beginnt". den nächsten eintrag werde ich schon von spanischen boden aus schreiben. vermutlich von der orthopädischen abteilung des kreiskrankenhauses pamplona, weil tatonki mich doch in die knie gezwungen hat... ;o)

auch der weiteste weg beginnt mit einem ersten schritt!





"...So kiss me and smile for me
Tell me that you`ll wait for me
Hold me like you`ll never let me go
´cause Im leavin on a jet plane,
don`t know when I`ll be back again
Oh babe, I hate to go..."
(john denver - leavin on a jet plane, 1973)

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 1. Mai 2007
"sieh dich im spiegel an...
...und sag mir dann, ob du magst, wen du siehst,
wenn du siehst, wer du bist oder, ob du vor dir fliehst,
wenn du dicht bei dir bist und nicht mehr vor dir fliehst
dann ändert sich etwas, wie du siehst, wenn du siehst,
was nun wiederum voraussetzt, dass du einen weg gefunden hast,
der dich nach vorn zu dir führt und deshalb zu dir passt
und diesen weg kennst nur du - dann fängst du an zu fragen
dann hat irgendwo, irgendwer, irgendwas zu sagen..."
(die fantastischen vier - sieh dich im spiegel an, 1993)




am meisten kraft kostet mich die mentale vorbereitung. permanent zirkulierende gedanken haben mich heute nacht schlecht schlafen lassen. ein hellwacher geist in einem müden körper. ich lag seit vier uhr wach, habe musik gehört und nachgedacht...

mein pilgerführer empfiehlt, sich in den camino tagträumerisch hineinzuversetzen. musik ist für mich dabei das beste medium und katalysator. längst habe ich für mich die frage verneint, ob mein iPOD nicht dem eigentlichen pilgergedanken widerspricht. habe "el pod" nochmals ordentlich mit songs aus meiner jugend gefüttert. auch new model army, big country, u2, the cure,...werden mich nun begleiten.

es ist ein bisschen so, als versuche ich meine eigene
biographie mittels songs zu rekonstruieren. ich kann mich dadurch aber am schnellsten in situationen, gefühle, momente,... (zurück)versetzen.

es ist schon bemerkenswert, wie nachhaltig musik und deren lyrics meinen charakter und auch meine entwicklung beeinflusst haben. ausserdem interessant, wie sich der blickwinkel auf ein und denselben text im laufe der jahre durch hinzugewonnene erfahrungen verändern kann. wenn ich mir heute die kämpferischen botschaften der new nodel army anhöre, die mir im alter von ca. 18 bis 20 jahren einst so wichtig waren, muss ich mir selbst einige fragen stellen...

ist die arroganz meiner jugend einer abgeklärteren, realistischeren sichtweise gewichen? ist das völlig normal, da ich mich hoffentlich permanent weiterentwickle? oder bin ich einfach nur fett, satt und unbeweglich geworden? habe ich auch schon wichtige ideale verraten? kann man als ewiggestriger gelten, wenn man versucht, seinen alten idealen treu bleiben? welchem bild entspreche ich zur zeit eher? einem alten sack, der seine midlife-crisis vorzieht? oder doch eher dem eines mutigen komfortzonenverlassers?

ich nähere mich meinen kernfragen...

wann erfülle ich nur die rolle, die man von mir erwartet?
wann bin ich ich?
wer bin ich eigentlich (wirklich)?
wer will ich (noch) sein/werden?
wer wollte ich (eigentlich) sein/werden?
was hindert mich daran, der auch zu werden?

einige fragen, auf die ich mir im laufe der nächsten woche antworten erarbeiten möchte. ich darf nicht zu viel erwarten. nicht, dass ich mich verkrampfe. ich darf mich nicht von den erwartungen der anderen unter druck setzen lassen. die wollen natürlich hören, dass ich das, was ich gesucht habe, auch gefunden habe. ich muß mich aber auch mit dem gedanken anfreunden, dass ich mit "leeren händen" nach hause komme. das "auf-den-weg-machen" beinhaltet keine garantie für erleuchtung. ich werte meinen mut aber schon mal als kleinen teilerfolg. und ich muss mich immer wieder daran erinnern: ich gehe diesen weg ganz alleine für mich und nicht für die erwartungen der anderen. ich stelle mich mir selber... und das wird nicht immer nur angenehm und leicht...

ich habe keine wirklichen existentiellen probleme. mir geht es uneingeschränkt gut. der jakobsweg ist ein reines luxusbedürfnis. dessen bin ich mir auch völlig bewusst. ich bin sehr dankbar, dass ich ihn gehen darf und vor allem auch kann...die erste lektion in demut habe ich verstanden!

zurück zur musik... es ist nicht die geistliche musik der katholischen kirche, die mir bei meiner vorbereitung kraft gibt. es ist vielmehr "thomas d." von "den fantastischen vier", der für mich immer mehr zu dem spirituellen wegbegleiter wird. mit ihm werde ich zum krieger und reflektor, fühle mich als winziger bestandteil von millionen legionen, hänge flüchtigen träumen eines glücksüchtigen nach und bete natürlich jeden tag für den planeten. immer wieder ertappe ich mich beim meditieren dabei, wie ich seine textzeilen mantramäßig vor mir herflüstere...

bin ich deswegen ein schlechter pilger? wann ist man ein guter pilger? nur dann, wenn man sein leben in tiefer frömmigkeit lebt?



"...Wen siehst du, wenn du dir im Spiegel gegenueber stehst?
Wen siehst du, wenn du keinen ausser deinen Wegen gehst?
Wen siehst du, wenn du dich für niemand anderen haeltst?
Niemand anderen als dich selbst..."
(die fantastischen vier - mein schwert, 2004)

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 30. April 2007
Wichtige Links zum Jakobsweg...


Umfangreiches Portal

Freundeskreis Jakobspilger Paderborn

Unterkunftsliste

Wetter

Cybercafes

Flughafen Santiago

Busfahrplan

Webcams

Pilgerforen

Weblog aus 2006

Panoramabilder

... link (0 Kommentare)   ... comment


mein ganz persönliches glaubensbekenntnis...


Es tut mir leid, Tier, denn sie mögen dich so sehr
sie wollen alles von dir und am liebsten noch mehr
Deine Haut ist ihre Kleidung, dein Fleisch ist ihr Essen,
dein Geist ist vergessen
Bei dem Versuch das Recht auf Leben in Gesetze zu verpacken
haben sie bei dir, Tier, einige Sätze weggelassen
Deine Schreie zu erhören wurde leider verpasst
Weil du für Menschen keine verständliche Stimme hast
erhebe ich meine Stimme für dich,
es scheint noch immer vonnöten
Ihr erinnert euch (nicht): Du sollst nicht töten
Denn du kriegst was du gibst, bist was du isst,
Weist was das heißt, alles kommt zurück - alles kommt zurück

Es tut mir leid, Natur,
denn deine Erben erheben sich gegen dich
und erledigen dich
Du warst vollkommen in Vielfalt mit allem im Einklang
bis der Mensch mit Gewalt in dich eindrang
All deine Schätze die am Anfang allen gut vertraut,
sie wichen Plätzen die auf Tränen und Blut gebaut
Ich seh' die Wunden blinder Wut auf deiner Haut entstehn',
obwohl doch die, die dich verletzen, damit gegen sich gehn'
Und dennoch liegt etwas Heiliges in deiner Luft
An besonderen Plätzen ein besonderer Duft
Der mir sagt dass jeder Weg so wichtig ist wie jeder Fluss
Und jeder Baum, jeder Berg dort steht wo er muss
Sie handeln wider ihren Sinnen als wären sie blind
Wenn ihre Ziele nicht im Einklang mit den Deinen sind

Und selbst um dich, Mensch, tut es mir leid
Denn du quälst dich selbst die meiste Zeit
Im Krieg mit deinem Ego stehst du neben dir
Ewig die Frage verdrängend weswegen leben wir
Du findest keinen Frieden hier,
wirst zum seelenlosen Wanderer
Und dein Lebenskampf geht auf die Kosten anderer
Verfolg in Liebe all die Ziele die du gut nennst
Doch gehe nie gegen dein eigenes Blut, Mensch
Denn du irrst wenn du denkst hier steht jeder für sich,
was gegen uns geht, geht gegen dich.
An jedem Start ist ne Ziellinie und wir sind alle gleich weit.
Und aus einer Familie
Um die Tests dieser Zeit zu bestehn' und um weiter zu gehn'
muss hier jeder sein Ego in Demut zurücknehmen

Hier ist mein Gebet an diesen Planet,
der Versuch zu beschreiben was mir nahe geht
Solang sich diese Welt noch dreht
Werdet ihr meine Stimme hören
Und immer wieder Menschen treffen die aufs Leben schwören.
Wir alle beten für diesen Planeten
Um jedem neuen Tag in Hoffnung zu begegnen
Und unser Licht durchbricht die Nacht in dem Glauben daran
Dies ist die dunkelste Stunde vor dem Sonnenaufgang

(thomas d. - gebet an den planet, 2001)


... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 29. April 2007
erlangen - die spannung steigt...


ich habe es noch gar nicht richtig realisiert. nach über einem jahr vorbereitungszet geht es jetzt wirklich bald los... in knapp einer woche werde ich in st. jean pied de port das erste mal in einem pilgerbettchen liegen.

ganz schönes chaos in meinem kopf... vorfreude mischt sich mit angst. gespannte erwartung, reisefieber und zunehmend auch zweifel wechseln sich munter ab. jede gefühlslage darf mal. eine emotionale achterbahnfahrt...

war diese woche mit lina und anke bei einem professor, der zur kulturgeschichte des jakobsweges kopflastig "evozierte". das publikum des vortrages lässt schlimmes erahnen. anglerwesten zu beginn ihres ruhestandes, die für meinen geschmack etwas zu aufdringlich mit ihren erlebnissen auf dem jakobsweg hausieren gingen...lasse mir dadurch aber trotzdem die vorfreue auf sicherlich viele spannende begegnungen mit menschen aus todo el mundo nicht vermiesen. der eine oder andere in meiner altersklasse und auf meiner wellenlänge wird schon dabei sein...

wurde sehr nett von meinen kollegen verabschiedet. klopapier, t-shirt und kissen werden mir sicherlich über die anflüge von workaholic-heimweh hinweghelfen. der schlußspurt auf arbeit war erwartungsgemäß heftig...doch nach mehreren zwölf-stunden-tagen in folge konnte ich meinen vertretern alles sauber hinterlassen. das gewissen ist beruhigt - das abenteuer kann beginnen...

es fühlt sich schon sehr komisch an...vor mir liegen jetzt 80 freie tage. freie zeit - nur für mich. seit meiner schulzeit hatte ich nicht mehr so viel freie zeit am stück. time to slow down...

wenn ich in andrea`s traurige augen schaue, wächst mein schlechtes gewissen und ich bekomme skrupel. bin ich zu egoistisch? aber was sind schon 49 tage bei einer beziehung von bisher 18 jahren (das sind 6570 tage!) dauer? da müssen wir beide jetzt wohl durch...

hab diese woche noch einiges zu erledigen...es gibt sehr viel, an dass ich denken muss...bin mal gespannt, was ich essentielles vergessen werde...schön, dass es wenigstens so problemlos mit dem weblog klappt...

... link (0 Kommentare)   ... comment