Mittwoch, 11. Juli 2007
"santiago ist nicht das ziel des jakobswegs, es ist der anfang." (pilgersprichwort)
besser als in den nachstehenden textauszuegen kann man das, was ich zur zeit fuehle, wohl nicht in worten zusammenfassen:

"...die vielleicht schwerste etappe des jakobswegs liegt fuer den modernen pilger oftmals erst nach santiago...

in santiago beginnt derjenige jakobsweg, der zum ziel hat, den vollzogenen seelenwandel in die moderne alltagswelt zu integrieren...

die schnelle moderne welt steht in schroffem gegensatz zu ruhe, einsamkeit, respektvollen miteinander. nach wochen der gegenwelt der pilgerschaft scheinen hektik, betriebsamkeit und menschliche gleichgueltigkeit unwirklich. vielen pilgern faellt es zunaechst schwer, sich wieder in der "normalen welt" zurechtzufinden...

der pilger wechselt aus seinem pilgeralltag in den der modernen welt. von hier ab beginnt erneut ein langer innerer weg der wandlung. die in der pilgerschaft noch lebbaren antworten auf den ruf, der den pilger auf den jakobsweg gefuehrt hat, lassen sich haeufig nicht einfach in den heutigen alltag uebertragen. im gegenteil: nun scheinen sie aufgesetzt, nicht angemessen, nicht zu verwirklichen. das umfeld des zurückgekehrten pilgers spielt das neue, das "bessere" spiel nicht mit. enttaeuschung. rueckschritt. alte strukturen. in der tiefe der seele jedoch wirkt die seelsiche wandlung der pilgerschaft als reales bild weiter. fast unmerklich drängt in einem langen und langsamen verinnerlichungsprozess schritt fuer schritt die gewandelte weltsicht in das taegliche tun und wird wirklichkeit, weil sie wirkt. angemessen. nicht plakativ-euphorisch aus der "heilen welt" der pilgerschaft, sondern im einklang mit den je eigenen lebensumstaenden. und auch diese neue wirklichkeit, diese seelenwandlung benoetigt die phase der stabilisierung.

durch den langsamen integrationsprozess verbindet sich der moderne alltag immer mehr mit den erfahrungen der pilgerschaft, der urerfahrung des "auf-dem-weg-seins": das bewusstsein, dass der mensch nirgends ein zuhause hat, ausser in sich selbst. dass jeder alleine seinen eigenen weg geht. dass jeder seinen eigenen rhythmus und sein eigenes tempo hat. dass jeder anderen begegnet, mit ihnen ein stueck weg teilt, dass gemeinsame wege sich trennen und manchmal auch wieder zusammenfuehren. dass einem das leben das gibt, was man braucht, aber auch nicht mehr. dass zufriedenheit nicht in materiellen dingen zu finden ist. dass mit-menschlichkeit keine wahl, sondern eine grundgegebenheit des menschseins ist...

es wird lange dauern, bis ich das was mich bewegt hat, verarbeitet habe. es wird lange dauern, bis ich wieder vollstaendig hier bin, sehr lange.

ich bin durch den jakobsweg kein "besserer mensch" geworden, bin mir allenfalls ein stueck naeher gekommen. das ist alles und dennoch viel..."

(ulrich hagenmeyer, "das ziel ist der weg", 2003, kreuzverlag, isbn 3 7831 2205 8)

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