Mittwoch, 9. Mai 2007
puente de la reina
"...it is better to burn out, than to fade away"
(neil young - hey hey my my - 1979)


ausgeschissen und ausgeschlafen (uff, das tut sooooooo gut!) mache ich mich heute erst gegen halb neun auf den weg. laut meinem bettnachbarn ist mein geschnarche gar nicht so schlimm. na also...das machte mir bisher wirklich zu schaffen...

in der albergue wird ein einfaches fruehstueck gereicht, das ich gerne annehme. ich setze mich zu vier anderen dazu und bin mittendrin in einem sehr interessanten gespraech zu glauben, spiritualitaet und motivation. in ihren urlauben bereisen sie den jakobsweg in dieser vierer-konstellation. einer von ihnen bringt sich waehrend des laufens durch ein ave-maria-mantra in eine art trance-zustand. er betet whrd. des gesamten laufens. er sieht seine aufgabe als pilger u. a. auch darin, andere in schwierigen situationen zu helfen. so hat er auf seinem letzten weg eine frau, die am cruz de ferro miutenlang zitternd ihren mitgebrachten stein in der hand hielt, aber nicht werfen konnte, so lange umarmt, bis sie ihn dann schliesslich doch noch warf.

spaeter setzen sich noch die beiden hospitaleras zu uns. sie wollen uns zu unseren motiven ausfragen, da sich fuer heute nachmittag der bayerische rundfunk zu einer reportage angemeldet hat. ich komme mir neben den anderen "heiligen" kurzzeitig wie ein pauschaltourist neben erfahrenen weltreisenden vor.

ich merke, wie bisher in mir voellig unbeleuchtete winkel licht bekommen ...es ist faszinierend die vielen verschiedenen blickweisen auf "glauben" kennenzulernen. gerade dann, wenn man selbst ein suchender mit einer spirituellen leere ist. ich spuere, wie etwas in bewegung kommt...

da der hauptpulk vor mehr als eineinhalb stunden aufgebrochen ist, habe bei meinem aufbruch das dumme gefuehl, verschlafen zu haben. ich habe angst, in puente de la reina kein bett mehr zu bekommen. dort soll laut fuehrer hohes pilgeraufkommen sein, weil sich dort der camino francres und der arragonische weg vereinen. und diese angst sitzt tief. hier muss ich noch weiter vertrauen aufbauen und darf nicht gleich verkrampfen...in rekordzeit also verlasse ich die urbanizacion von pamplona. scharenweise ueberhole ich pilger. aber mir ist heute trotzdem nach auspowern zu mut.

der weg ist heute noch schoener als gestern. durch ueppige kornfelder, mohnblumenwiesen, bluehenden raps und ginster geht es schliesslich auf den 735 m hohen alto del perdon. von dort aus eroeffnet sich ein unvergesslicher 360-grad-panoramablick auf die weite der angrenzenden huegellandschaften.

mir ist bewusst, dass der camino nicht stetig schoener und besser werden kann. es werden sicherlich auch tage folgen, die mich total ankotzen werden. heutige lektion: das leben verlaeuft im idealfall bipolar. es muss positive als auch negative peaks geben. im unguenstigsten fall blubbert das leben ohne grosse emotionale regungen und ereignisse nur so vor sich hin...ich bin wirklich sehr froh, dass ich mir diese auszeit gegoennt habe. ich sauge eindrucke auf wie ein nasser schwamm. sie sind so vielfaeltig, dass ich hier gar nicht alles wiedergeben kann.

heute ist es sehr heiss. ich trinke whrd. des laufens mehr als 3 l und "verbrauche" vier muesliregel, zwei aepfel, zwei bananen und eine orange. ich verbrenne mir ordentlich gesicht, nacken und oberarme. nach etwas mehr als 5,5 stunden und 27 km erreiche ich dann endlich puente de la reina. dort begruesst mich auch gleich freudestrahlend mein rentnerfreund rudi...

nach dem duschen und dem waesche waschen passe ich mich den oertlichen gegebenheiten an und mache erstmal tagebuchschreibender-weise indoor-siesta. es ist einfach noch zu heiss. wenn die hitze etwas nachlaesst, werde ich zum bruecke fotografieren in die stadt gehen. da ich im bisherigen tagesschnitt deutlich unter 20 € (tagesgesamtkosten inkl. uebernachtung!) liege, werde ich mir heute mal ein zuenftiges abendessen leisten...ich freue mich schon auf eine eiskalte jarra de "san miguel"...

"...i hurt myself today - to see if i can feel..."
(nine inch nails - hurt, 1992)

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