Dienstag, 1. Mai 2007
"sieh dich im spiegel an...
...und sag mir dann, ob du magst, wen du siehst,
wenn du siehst, wer du bist oder, ob du vor dir fliehst,
wenn du dicht bei dir bist und nicht mehr vor dir fliehst
dann ändert sich etwas, wie du siehst, wenn du siehst,
was nun wiederum voraussetzt, dass du einen weg gefunden hast,
der dich nach vorn zu dir führt und deshalb zu dir passt
und diesen weg kennst nur du - dann fängst du an zu fragen
dann hat irgendwo, irgendwer, irgendwas zu sagen..."
(die fantastischen vier - sieh dich im spiegel an, 1993)




am meisten kraft kostet mich die mentale vorbereitung. permanent zirkulierende gedanken haben mich heute nacht schlecht schlafen lassen. ein hellwacher geist in einem müden körper. ich lag seit vier uhr wach, habe musik gehört und nachgedacht...

mein pilgerführer empfiehlt, sich in den camino tagträumerisch hineinzuversetzen. musik ist für mich dabei das beste medium und katalysator. längst habe ich für mich die frage verneint, ob mein iPOD nicht dem eigentlichen pilgergedanken widerspricht. habe "el pod" nochmals ordentlich mit songs aus meiner jugend gefüttert. auch new model army, big country, u2, the cure,...werden mich nun begleiten.

es ist ein bisschen so, als versuche ich meine eigene
biographie mittels songs zu rekonstruieren. ich kann mich dadurch aber am schnellsten in situationen, gefühle, momente,... (zurück)versetzen.

es ist schon bemerkenswert, wie nachhaltig musik und deren lyrics meinen charakter und auch meine entwicklung beeinflusst haben. ausserdem interessant, wie sich der blickwinkel auf ein und denselben text im laufe der jahre durch hinzugewonnene erfahrungen verändern kann. wenn ich mir heute die kämpferischen botschaften der new nodel army anhöre, die mir im alter von ca. 18 bis 20 jahren einst so wichtig waren, muss ich mir selbst einige fragen stellen...

ist die arroganz meiner jugend einer abgeklärteren, realistischeren sichtweise gewichen? ist das völlig normal, da ich mich hoffentlich permanent weiterentwickle? oder bin ich einfach nur fett, satt und unbeweglich geworden? habe ich auch schon wichtige ideale verraten? kann man als ewiggestriger gelten, wenn man versucht, seinen alten idealen treu bleiben? welchem bild entspreche ich zur zeit eher? einem alten sack, der seine midlife-crisis vorzieht? oder doch eher dem eines mutigen komfortzonenverlassers?

ich nähere mich meinen kernfragen...

wann erfülle ich nur die rolle, die man von mir erwartet?
wann bin ich ich?
wer bin ich eigentlich (wirklich)?
wer will ich (noch) sein/werden?
wer wollte ich (eigentlich) sein/werden?
was hindert mich daran, der auch zu werden?

einige fragen, auf die ich mir im laufe der nächsten woche antworten erarbeiten möchte. ich darf nicht zu viel erwarten. nicht, dass ich mich verkrampfe. ich darf mich nicht von den erwartungen der anderen unter druck setzen lassen. die wollen natürlich hören, dass ich das, was ich gesucht habe, auch gefunden habe. ich muß mich aber auch mit dem gedanken anfreunden, dass ich mit "leeren händen" nach hause komme. das "auf-den-weg-machen" beinhaltet keine garantie für erleuchtung. ich werte meinen mut aber schon mal als kleinen teilerfolg. und ich muss mich immer wieder daran erinnern: ich gehe diesen weg ganz alleine für mich und nicht für die erwartungen der anderen. ich stelle mich mir selber... und das wird nicht immer nur angenehm und leicht...

ich habe keine wirklichen existentiellen probleme. mir geht es uneingeschränkt gut. der jakobsweg ist ein reines luxusbedürfnis. dessen bin ich mir auch völlig bewusst. ich bin sehr dankbar, dass ich ihn gehen darf und vor allem auch kann...die erste lektion in demut habe ich verstanden!

zurück zur musik... es ist nicht die geistliche musik der katholischen kirche, die mir bei meiner vorbereitung kraft gibt. es ist vielmehr "thomas d." von "den fantastischen vier", der für mich immer mehr zu dem spirituellen wegbegleiter wird. mit ihm werde ich zum krieger und reflektor, fühle mich als winziger bestandteil von millionen legionen, hänge flüchtigen träumen eines glücksüchtigen nach und bete natürlich jeden tag für den planeten. immer wieder ertappe ich mich beim meditieren dabei, wie ich seine textzeilen mantramäßig vor mir herflüstere...

bin ich deswegen ein schlechter pilger? wann ist man ein guter pilger? nur dann, wenn man sein leben in tiefer frömmigkeit lebt?



"...Wen siehst du, wenn du dir im Spiegel gegenueber stehst?
Wen siehst du, wenn du keinen ausser deinen Wegen gehst?
Wen siehst du, wenn du dich für niemand anderen haeltst?
Niemand anderen als dich selbst..."
(die fantastischen vier - mein schwert, 2004)

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